Frei, Fair und Lebendig

Die Macht der Commons

Einleitung

Wie ein viraler Infekt machen sich zurzeit Angst und Des­orientierung breit. Sie erfassen unser Denken und unser Fühlen. Vernunft, Argumente und Fakten scheinen ungeeignet, diesem Phänomen zu trotzen. Das gilt im Alltag wie in politischen Diskussionen. Die etablierten Parteien wirken ratlos, verfallen angesichts schlech­ter Umfragewerte in eine Art Schockstarre oder reagieren mit Aktionismus, der auch nichts besser macht. Diesem Trend stellt sich unser Buch entgegen. Es will Mut machen.

Doch das Unbehagen ist groß und oft diffus. Viele Menschen fürchten ihren sozialen Abstieg, weitere Finanzkrisen, Klimakatastrophen, Terroranschläge und fremde Mächte und Kulturen. Einige machen, enttäuscht über die Unfähigkeit der Politik, Probleme zu lösen, ihrer Frustration öffentlich Luft. Wieder andere suchen ihr Heil bei Populisten, die mit simplen Parolen Abhilfe versprechen. In deren Schwarz-Weiß-Welt werden vollmundige Versprechen zwar nicht eingelöst, aber die Schuldigen für alle Übel der Welt leicht ausgemacht. In dieser Entweder-oder-Welt präsentieren sich die Dinge übersichtlich und fassbar. Auch das Versprechen von Mauern und martialisch gesicherten Grenzen dient diesem Zweck. Und ebenso die Rückbesinnung auf die Nation. Zwar hat die Geschichte gezeigt, dass nationalistische Parolen uns noch nie von irgendwelchen Übeln erlösten, doch scheint dies keine Rolle zu spielen. Der Nationalismus feiert fröhliche Urständ, und der Parteiendemokratie will es nicht gelingen, dieser Idee etwas kraftvolles Anderes entgegen zu stellen.

Natürlich gibt es gute Gründe, sich in Anbetracht globaler und lokaler Herausforderungen Sorgen zu machen. Deshalb gehen Menschen in vielen Städten auf die Straße – allerdings ohne die Verärgerung in etwas Produktives kanalisieren zu können. Trotzdem werden die Donald Trumps dieser Welt von sehr vielen Menschen nicht nur gewählt, sondern sie verlieren auch dann nicht den Rückhalt ihrer Anhängerschaft, wenn sie die globalen Probleme noch verstärken, Mauern errichten und sich selbst in eine endlose Kette von Skandalen und juristischen Problemen verstricken. Sie bleiben Hoffnungsträger für viele Menschen. Warum? Neben der bereits erwähnten Schwarz-Weiß-Übersichtlichkeit in einer komplexen Welt vermittelt unerschütterliche Gefolgschaft auch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Das ist nicht zu unterschätzen, denn Angst und Orientierungslosigkeit haben viel mit Identitätserschütterungen zu tun. Sie werfen, um bei Richard David Precht Anleihe zu nehmen, die Frage auf: Wer sind wir und wenn ja wie viele? Was resultiert aus der von uns empfundenen Machtlosigkeit?Was geschieht mit einer Gesellschaft, wenn das Gefühl der Zugehörigkeit, ja, der Geborgenheit zerbricht, das weder Markt noch Staat ersetzen können? Wie lässt sich Gestaltungsmacht wiedergewinnen, ohne dass wir vorher alle existierenden Strukturen zerschlagen?

Was wir beobachten, erinnert ein wenig an die »Kopernikanische Wende« und ihre Folgen. Der Vergleich mag gewagt erscheinen. Doch lesen wir nach beim Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter. »Die Welt des mittelalterlichen Lebensgefühls kann als kreisförmig beschrieben werden«, schrieb er 1979.1 »In dem geozentrischen Weltbild kreisten die Gestirne um die Erde. Aber der Mensch war unten, und Gottes Auge überwachte ihn von oben. Die Welt war in sich geschlossen wie auch der menschliche Lebenszyklus, der in Gott anfing und endete.« Kopernikus zerbrach im 16. Jahrhundert dieses geordnete geozentrische Weltbild und verwandelte den Menschen in ein hilfloses und scheinbar gottverlassenes Wesen, das auf einem Erdkrümel ziellos durch das Weltall trieb. Richter verglich die aus diesem Paradigmenwechsel resultierende Reaktion der Menschheit mit der eines Kindes, das den Glauben an die Allmacht der Eltern verloren hat. Nun versucht es (in oft nervig-destruktiver Art und Weise), selbst Kontrolle über alle und alles zu gewinnen. Diesen Drang der Menschheit, vergleichbar mit der gottgleichen Allmacht, bezeichnet Richter als »Gotteskomplex«.

Auch wir fühlen uns heute erschlagen von der Erkenntnis, dass uns die Koordinaten abhandengekommen sind. Wenn wir agieren, wie Ökonomen es in Lehrbüchern beschreiben, ruinieren wir die Erde. Wenn wir der Logik eines Mehrheitswahlrechts vertrauen und uns auf den Staat verlassen, können wir von heute auf morgen ohne Rückhalt dastehen. Trotz Jahrzehnten des Wirtschaftswachstums, trotz Wohlstand und all der Fortschritte in Technologie und Wissenschaft, trotz aller Bemühungen der Diplomatie und ungeachtet unserer ganz individuellen Investitionen in Bildung, Beruf und Karrieren scheinen sämtliche Probleme ungelöst: Unser Automobil verfügt zwar über Rundum-Airbag und warnt uns vor Rehen auf der Fahrbahn, aber wir fürchten uns vor Asteroideneinschlägen aus dem All. Unsere Raumsonden finden Wasser auf dem Mars, aber wir wissen vielerorts nicht, woher wir das Wasser nehmen sollen, das die Menschen auf der Erde trinken müssen. Wir beginnen, die Gene unserer ungeborenen Kinder zu editieren wie einen Text auf unserem Computer.2 , aber wir wissen nicht, wer unsere Alten und Kranken pflegen soll. Wir finanzieren ein Heer von Diplomaten, die kreuz und quer die Welt bereisen und von einem Krisengipfel zum nächsten jetten, aber trotzdem müssen Menschen aus ihrer Heimat fliehen. Wir fühlen uns hilflos. Wie machtlose Individuen, die zum Spielball der Geschichte werden.

Also greifen wir – bewusst oder instinktiv – zum wirksamsten Mittel, das die Evolution uns zur Bewältigung von Furcht und realer Gefahr in die Wiege gelegt hat: Wir suchen Unterstützung! Wir verbünden uns mit Unseresgleichen und besinnen uns auf das gemeinsame, koordinierte Handeln – die herausragende Stärke aller sozialen Lebewesen. Wir erfahren, dass es möglich ist, trotz aller Widersprüche an einem Strang zu ziehen. Wir spüren, dass wir in unserer misslichen Lage nicht als versprengte Einzelne verharren müssen, sondern uns fragen sollten, durch welche Veränderungen und Praktiken wir gemeinsam etwas beitragen können, die drängendsten Probleme unserer Welt zu lösen. Und dann, an dieser Stelle, stoßen wir auf den Angelpunkt historischer Prozesse: Mit wem sollen wir uns verbünden? Mit wem sollen wir an einem Strang ziehen? Mit unserer Familie?

Unserem Clan? Unserer Peer Group? Unserer Klasse? Unserem Stand? Mit denen, die »so ticken« wie wir selbst? Mit unserem Volk? Unserer Nation? Der sogenannten Völkergemeinschaft? Oder mit der ganzen Menschheit? Bei dieser Frage kippt ein intuitiv richtiger Handlungsimpuls den Gang der Geschichte rasch in eine unproduktive oder gar katastrophale Richtung. Das Eine (Peer Group) scheint zu unbedeutend, das Andere (Volk) zu identitär aufgeladen, das Dritte wiederum (die ganze Menschheit) zu unermesslich. Die Antwort liegt daher auf einer anderen Ebene. Denn zu der Frage »mit wem« wir die Welt verändern wollen, gesellt sich der fundamentale Aspekt, »auf welcher Grundlage« und »in welche Richtung« wir die Welt verändern wollen.

Was die Grundlage der Weltveränderung angeht, so ist Eines klar. Wir müssen uns trotz unseres berechtigten Interesses an individueller Sicherheit und individuellem Wohlergehen darüber im Klaren werden, dass unser Wohlergehen auch das Wohlergehen der Anderen voraussetzt. Wir müssen begreifen, dass unsere Freiheit auf der Freiheit der Anderen beruht und nicht eine Freiheit des isolierten Einzelnen ist, sondern Freiheit in Bezogensein. Die Frage ist also nicht einfach: Können wir unsere Probleme gemeinsam meistern? Die Frage lautet: Können wir sie auf dieser Grundlage gemeinsam meistern? Und können wir uns so selber wieder als daseinsmächtig erfahren und uns nicht den Kräften des Marktes oder den Beschlüssen sogenannter »Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger« ausgeliefert fühlen?

Diese Fragen sind leichter gestellt als beantwortet! Doch beginnen wir – so wie dieses Buch – bei den guten Nachrichten (Kapitel 1). Wir werden zeigen, wo und wie unzählige Keime einer wirklich tiefgreifenden Transformation bereits sprießen. Wir werden dabei herausarbeiten, was genau, welche Beziehungen und welche Umstände sie auf welche Weise verändern. Es gibt hunderttausende Initiativen, Kooperativen und Genossenschaften, offene Werkstätten, Vereine und Verbünde aller Art, die produktiv tätig sind, gemeinsame Ziele verfolgen oder bestimmte Probleme lösen – ohne kommerzielles Interesse, aber bewusst selbstorganisiert. Sie sind unsere Inspiration, denn sie zeigen, was »jenseits von Markt und Staat« möglich ist. Ihr Tun kann Tausende von Menschen umfassen, wie im Kooperativenverbund Cecosesola in Venezuela, oder auch nur drei, vier oder fünf Beteiligte wie bei einem Picknick auf der grünen Wiese. Sie können in Solidarischen Landwirtschaften ökologisch und fair Lebensmittel produzieren oder sich zusammentun, um Betriebssysteme oder freie und offene Software zu entwickeln, um Hochleistungsmikroskope oder globale Expertennetzwerke aufzubauen. Einige dieser Praktiken sind neu und müssen ihren Bestand noch beweisen, andere existieren und funktionieren seit hunderten von Jahren. Das Spektrum jedenfalls ist riesig. Das ist auch deshalb so, weil viele Alltagspraktiken zwar nach Mustern des Commoning funktionieren (Kapitel 4-6), sich die Beteiligten dessen aber keineswegs bewusst sind. Sie sind also Teil einer größeren Sache, erkennen dies aber nicht. Und zwar, weil ihre Gemeinsamkeiten oft im Verborgenen bleiben und weil uns die Sprache fehlt, sie zu beschreiben (Kapitel 3). Mit diesem Buch versuchen wir dies zu ändern. So können auch Jugendliche, die gemeinsam ihren Club organisieren oder Menschen, die über mehrgenerationelle Wohngemeinschaften nachdenken, »den Commoner in sich« entdecken.

Wer die inspirierenden Aktivitäten, die wir in diesem Buch vorstellen, angesichts des Klimawandels und der globalen sozialen Verwerfungen für schmerzhaft winzig empfindet, der verkennt nicht nur, dass es nicht um die Reichweite – geschweige denn die Größe – einzelner Projekte geht, sondern um ihren Kern: um das, was sie ausmacht und was ihre transformatorische Kraft entfalten kann. Wer das nicht sieht, verkennt auch, was geschieht, wenn eine Saat aufgeht. Das ist, als würde man ein Reis-, Weizen- oder Maiskorn, eine Kartoffel oder eine Bohne betrachten und diese fragen: Aber bist Du nicht viel zu mickrig, um die Menschheit zu ernähren?

Es ist auch eine typische Reaktion von Leuten, die sich nicht trauen, neue Wege zu beschreiten; die stets auf »Bewährtes setzen« und keinen Mut für »Experimente« haben. »Never change a winning team!«, heißt es dann. Nun, nicht nur die alten Mittel (Wirtschaftswachstum, Marktfundamentalismus, nationalstaatliche Bürokratien) sind dysfunktional geworden, auch das alte Team (wir nennen es MarktStaat) ist längst kein Team mehr, das gewinnt. Es ist nicht nur zum Sanierungsfall geworden, es ist nicht mehr sanierbar. Das liegt, so argumentieren wir, vor allem daran, dass es auf falschen Prämissen auf baut. Daraufhin haben wir viele »kleine Dinge« beobachtet und geprüft, ob sie auf anderen Prämissen auf bauen und so einen Keim für den Wandel des Ganzen enthalten. Wir beginnen dieses Buch mit diesem Kern – einem Seinsverständnis, in dem es um Beziehungen geht, ohne das ein wirklicher Paradigmenwechsel kaum stattfinden wird (Teil I, Kapitel 2 und 3). In Teil II wenden wir uns dann vielen Projekten, Initiativen und Strategien der sogenannten »Peer Governance« und des sorgenden und selbstbestimmten Wirtschaftens zu und arbeiten heraus, was sie vom kapitalistischen Marktwirtschaften unterscheidet. Viele Wirklichkeiten, denen sie hier begegnen werden, bleiben unter dem Radar der Öffentlichkeit. Sie werden kaum wahrgenommen oder einfach ignoriert, weil das Beschriebene vorgeblich »gar nicht funktionieren kann«, denn »der Mensch ist nicht so«. Das sei »unrealistisch, ja weltfremd« – so die Phalanx der Skeptikerinnen und Skeptiker. Immerhin können wir darauf verweisen, dass es diese Initiativen, diese Menschen und ihre vielfältigen Motivationen gibt. Sie sind ganz und gar real und »von dieser Welt«. Die allgegenwärtige Reserviertheit ist vermutlich das Ergebnis einer jahrzehntelangen, schleichenden Indoktrination, die sich fest in unserem Denken und Fühlen festgesetzt hat! Vielleicht fehlt es den Menschen einfach an gelebter Erfahrung. An Commons-Erfahrung! Dinge zu tun, von denen andere »profitieren« (schon in diesem Wort sitzt der Wurm), ohne dabei selbst »übervorteilt« zu werden, scheint manchen schwer vorstellbar und ist doch eine Selbstverständlichkeit. Überall in der Welt. Die meisten Menschen haben nicht einmal ein Wort für die vielfältigen Phänomene, die wir »Commons« nennen. Sie sind unter anderem deswegen erfolgreich, weil sie mit maßgeschneiderten Peer-Governance-Formen (Kapitel 5) funktionieren und nicht bestrebt sind, sinnlos und selbstzerstörerisch über sich selbst hinauszuwuchern.

Damit keine Missverständnisse aufkommen. Es geht in diesem Buch nicht nur um die kleinen Schritte, die den Alltag verbessern. Es geht um eine Zukunftsvision für unser Miteinander, für die soziale Organisation, Infrastruktur, Wirtschaft und Politik. Denn, wie gesagt, dieses Buch soll Mut machen. Es zeugt von Souveränität ohne Nationalismus, Individualität ohne Ellenbogenmentalität, Gemeinsamkeit ohne Zwang. Es beschreibt, wie wir unsere Freiheit genießen können, ohne andere zu unterdrücken, und wie Fairness auch ohne bürokratische Kontrolle realisierbar ist. Der Guardian-Kolumnist George Monbiot hat den Anspruch gut zusammengefasst: »Ein Commons ... vertieft die Demokratie in ihrer wahrsten Form. Es zerstört die Ungleichheit. Es bietet einen Anreiz, die lebende Welt zu schützen. Es schafft, in Summe, eine Politik der Zugehörigkeit.«

Das spiegelt auch unser Titel, der das Fundament, die Struktur und die Vision der Commons zeigen soll: »Frei, fair und lebendig«. Jede wünschenswerte Evolution des Systems muss die Freiheit im weitesten Sinn respektieren – nicht nur die libertäre wirtschaftliche Freiheit des Vereinzelten. Sie muss die Fairness in den Mittelpunkt jedes Systems der Bereitstellung (Produktion) und Koordination stellen. Und sie muss unsere Existenz als Lebewesen auf einer Erde erkennen, die selbst lebendig ist. Transformation kann nicht gelingen, ohne all diese Ziele gleichzeitig zu verwirklichen. Das ist das Commons-Programm! In Commons verbinden sich die großen Denktraditionen, die anderswo gegeneinander ausgespielt werden: Freiheit, Fairness und Enkeltauglichkeit.

Wenn wir Commons und Commoning beschreiben, dann weist dies über eingefahrene Denk-, Sprech- und Handlungsweisen hinaus. Man könnte das Buch daher als Verlern-Anleitung verstehen.3 Wer es liest, wird Wirtschaft nicht mehr als Geldwirtschaft begreifen; »unser Interesse« nicht als Gegenpol zu »meinem Interesse«; Staat nicht als einzige Alternative zum Markt – um nur einige Beispiele zu nennen. Das ist nicht wenig, denn das Gewohnte hat sich in unseren Köpfen und in unserem Alltag festgebissen. Es hindert uns daran, die Welt freier, fairer und lebendiger zu machen. Und es prägt die Strukturen und die Wirkmacht von Markt und Staat. Wir plädieren daher für mehr Unabhängigkeit von beidem, für ein »jenseits von Markt und Staat«. Wie sonst sollten wir dieser merkwürdigen Logik entkommen, nach der wir erst uns und unsere Umwelt erschöpfen, um anschließend beides wieder reparieren zu müssen? Und dies nur, damit sich das Hamsterrad des Ewiggestrigen weiterdreht! Wie soll unabhängiges Handeln von Politikerinnen und Bürgern möglich sein, wenn alles von Arbeitsplätzen, Börsennachrichten und dem Wettbewerbsgeschehen abhängt? Wie sollen wir Neues tun, wenn die Grundmuster des Kapitalismus durch uns hindurchgehen und das Gemeinsame unterspülen? Wer dieses Buch liest, kann es umgekehrt auch als Handlungsanleitung verstehen; schließlich zeigt es, wie die Transformation gelingen kann. Strategisch gesprochen: indem wir (alt-)neue Lebensweisen jenseits von Markt und Staat in den Mittelpunkt rücken. Wir zeigen: So geht Commoning!

Und damit zurück zum Anfang und zu der Frage, auf welcher Grundlage wir die Welt transformieren wollen und wo Commoning beginnt. Unsere Antwort lautet: bei unserem Weltverständnis, bei Menschenbild, Seinsidee und Handlungsrationalität (vgl. Kapitel 2 und 3). Wenn wir dies vom Kopf auf die Füße stellen, gestaltet sich alles daraus Folgende neu: unser Verständnis vom guten Leben, unser Miteinander (Kapitel 4), unsere Organisationsformen (Kapitel 5), unser Wirtschaften (Kapitel 6), unsere Eigentumskonzeption und unsere Praxis des Habens (Kapitel 7 und 8), unser Verhältnis zum Staat (Kapitel 9) und die Gestaltung von Institutionen und Politik (Kapitel 10).

Auf die »Macht der Commons« zu setzen stiftet Sinn und Beziehung, es lässt sich umsetzen und wirft zugleich die Verhältnisse um, denn Commons erfordern nicht nur eine andere Denk-, Sprech- und Handlungsweise, sie sind eine andere Denk-, Sprech- und Handlungsweise. Das versuchen wir zu zeigen. In einigen dieser 10 Kapitel – etwa in unserer Auseinandersetzung mit dem Eigentum – blicken wir weit zurück in die Geschichte. In anderen verdeutlichen wir, wie aus einem relationalen Seinsverständnis neue Begriffe hervorgehen (Kapitel 3), um anschließend zu beschreiben, wie diese mit einem zukunftsfähigen Eigentums- und Politikverständnis verbunden sind (Kapitel 8, 9 und 10). Ausflüge in verschiedene Kulturen und Praktiken – analog und digital, rurban und glokal – machen das Buch zudem zu einer hoffentlich auch unterhaltsamen Reise durch die Welt der Commons. Im Text wimmeln die Ideen, Konzepte und Geschichten lebendiger Commons. Denn: Commons sind nicht, sie werden gemacht. Herzstück (wenngleich nicht Fundament) des Buches ist gewiss die Darstellung, wie sie gemacht werden. In den Kapitel 4, 5 und 6 wird in sogenannten Mustern beschrieben, wie sich Commoning lebt und anfühlt (die Kultur der Commons), wie sich Commons »regieren« (bewusste Selbstorganisation durch Gleichrangige bzw. Peer Governance) und wie ein Wirtschaften aussieht, das Commons statt Waren erschafft. Kurzum, es wird gezeigt, dass auch Häuser und Fahrzeuge gebaut werden können wie die Wikipedia. Und es wird darüber nachgedacht, was das für das Ganze bedeutet. Das Buch stiftet an, es den Commoners dieser Welt gleich zu tun. Das verändert nicht nur Wirtschaft und Politik. Es verändert uns. Der Homo oeconomicuswird sich einen anderen Platz in der Geschichte suchen müssen.

Anmerkung

Einige Dokumente, die wir dem Buch angehängt haben, werden Ihnen einen tieferen Einblick in unseren Arbeitsprozess geben. So beschreiben wir in Anhang II – sehr knapp – unser methodisches Vorgehen zur Identifizierung der Muster des Commoning. In Anhang III erfahren Sie mehr über die Grammatik der visuellen Sprache, mit der diese Muster so passend illustriert wurden. Das Register der Commons und Commons-Instrumente bringt Sie schnell zu den Seiten, auf denen verschiedene Projekte, Netzwerke, Verbünde und Politiken vorgestellt werden.


  1. Horst Eberhard Richter: Der Gotteskomplex, Reinbek: Rowohlt, 1979, S. 25.
  2. Siehe: http://sciencemag.org/news/2018/11/researcher-who-created-crispr-twins-de​fends-his-work-leaves-many-questions-unanswered.
  3. Wie formulierte es der Anthropologe David Graeber: »Jeden Morgen stehen wir auf und machen Kapitalismus. Warum machen wir nicht mal etwas Anderes?«>